Dr. Vitaly Wirthl

Alumni-Portrait

"Die Vielfalt der Naturerscheinungen ist so groß und die im Himmel verborgenen Schätze so reich, dass es dem menschlichen Geist nie an frischer Nahrung mangeln soll." (J. Kepler, Mysterium Cosmographicum)

  • Aktuelle Position: Post-Doktorand
  • Institution / Unternehmen: Max-Planck-Institut für Quantenoptik
  • Abschluss / Abschlussjahr: Promotion / 2023

Warum haben Sie sich für ein Studium der Physik entschieden?

Ich habe mich für die fundamentalen Fragen interessiert und wollte die Naturgesetze „bis ins Innerste“ verstehen. Insbesondere hat mich begeistert, wie umfassend man z.B. in der Kosmologie oder Teilchenphysik das Universum beschreiben kann. Außerdem kam mein philosophisches Interesse an Grundsatzfragen hinzu: ich kann mich erinnern, dass mich in den letzten Schulklassen die Vorträge und Bücher über Physik und Philosophie von W. Heisenberg fasziniert haben. In einem Vortrag hat Heisenberg die These vertreten, dass die moderne Physik auf die Frage nach der Struktur der Materie Plato eher Recht geben muss als Demokrit: die Materie besteht nach Erkenntnissen der Quantenfeldtheorie eher aus „ungreifbaren“ mathematischen Strukturen, wie es Plato gedacht hat, als aus „greifbaren“ unteilbaren Objekten, wie es Demokrit gedacht hat. Das fand ich sehr spannend, denn im 19. Jh. war man ja davon überzeugt, dass Demokrit Recht hatte – Materie schien einfach nur aus unteilbaren Atomen zu bestehen!

Sie haben in der Physik promoviert. Wo und woran haben Sie geforscht?

Ich bin sehr dankbar, dass ich meinem Interesse an der fundamentalen Physik in meiner Promotion in der Laserspektroskopie-Abteilung am Max-Planck-Institut für Quantenoptik nachgehen durfte. Ich habe an dem Experiment zur Präzisionsspektroskopie von Wasserstoff gearbeitet. Aufgrund der Einfachheit des Wasserstoffs können die Energieniveaus mit der Theorie der Quantenelektrodynamik (QED) genau berechnet werden. Experimentelle Techniken wie ultrastabile Laser und der Frequenzkamm, für den Prof. T. W. Hänsch im Jahr 2005 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, machen es möglich, die Übergänge zwischen verschiedenen Energieniveaus genau zu messen, um die Theorie und Experiment mit der relativen Genauigkeit in der Größenordnung von 10-12 zu vergleichen.

Die QED bildet die Grundlage aller anderen Quantenfeldtheorien, auf denen das Standardmodell der Teilchenphysik aufgebaut ist. Derzeit ist die Lage der fundamentalen Physik sehr spannend, weil es offensichtlich ist, dass unser fundamentales Naturverständnis unvollständig ist: das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt nur ca. 5% der gesamten Energie-Materie-Inhalts des Universums - die "sichtbare Materie", z.B. Protonen, Neutronen und Elektronen, woraus Atome und Moleküle bestehen. Wir wissen also noch nicht, woraus 95% unseres Universums bestehen! Dieses Rätsel der sogenannten "dunklen Materie" und "dunklen Energie" könnte mit bisher unbekannten Naturgesetzen verbunden sein. Der immer genauer werdende Test der QED könnte uns auf die Spur dieser "neuen Physik" führen. Tatsächlich deuten sich derzeit Diskrepanzen im QED-Test an, und zukünftige Messungen werden zeigen, ob diese Diskrepanzen auf bisher unentdeckte Theorieterme hinweisen oder innerhalb der statistischen Fluktuation wieder verschwinden.

In meiner Dissertation habe ich die Präzisionslaserspektroskopie eines bisher nicht gemessenen 2S-6P-Übergangs im schweren Wasserstoff (Deuterium) untersucht. Im Vergleich zu gewöhnlichem Wasserstoff ist die Präzisionsspektroskopie von schwerem Wasserstoff daher interessant, weil dort viel weniger Übergänge genau gemessen wurden und dieses Atom einen zusammengesetzten Kern hat.

Wie ging es nach Ihrem Abschluss beruflich weiter?

Da es mir am MPQ sehr gut gefällt und die Präzisionsexperimente meist länger als eine Doktorandenzeit dauern, freue ich mich als Post-Doc an den Wasserstoff-Experimenten bleiben zu dürfen. Zudem stehen noch einige Publikationen an, die aus meiner Promotionszeit hervorgegangen sind und veröffentlich werden sollen. Außerdem freue ich mich auch, an der Lehre an der LMU beteiligen zu dürfen.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders?

Ich finde es generell einfach toll, in der Forschung arbeiten zu dürfen, weil es nie langweilig wird und man ständig Neues dazulernt. Die Arbeit an einem Atomphysik-Experiment finde ich spannend, weil es verschiedene Techniken verbindet: Laser und Optik, Elektronik, Kryostat, Mikrowellen etc. Es gefällt mir besonders, wenn all diese komplexen Systeme gleichzeitig auch funktionieren, wie man es sich vorgestellt hat, und man tatsächlich etwas messen kann, was zuvor niemand so gemessen hat! Außerdem freue ich mich immer, wenn ich Laborführungen geben darf, um meine Begeisterung für die fundamentale Physik im Allgemeinen und die Präzisionsspektrosopie im Besonderen zu teilen.

Gab es in Ihrem Studium Projekte, Veranstaltungen, Dozierende, die Sie entscheidend für Ihren weiteren Karriereweg geprägt haben?

Während meines Masterstudiums habe ich als studentische Hilfskraft in der Wasserstoff-Spektroskopie-Gruppe am MPQ, wo ich dann promoviert habe, gearbeitet. In dieser Zeit hat mich die besonders die tolle Gruppenatmosphäre und die Begeisterung für die Physik, die unser Gruppenleiter Prof. Thomas Udem ausstrahlt, geprägt. Außerdem hatte ich einen Vortrag von Prof. T. W. Hänsch mit dem Titel „Leidenschaft für Präzision“ gehört, der mich begeistert hat. Was mich auch geprägt hat ist mein Auslandsjahr in den USA, wo ich für meine Masterarbeit an einem Präzisionsexperiment zur Messung des elektrischen Dipolmoments des Elektron gearbeitet habe.

Welchen Rat würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben?

Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man das tun, was einen wirklich im Herzen interessiert und nicht so sehr darauf achten, welches Forschungsfeld „gute Karriereoptionen“ eröffnet. Außerdem würde ich raten, sich nicht so leicht entmutigen zu lassen, wenn man etwas nicht versteht oder wenn etwas monatelang im Labor nicht funktioniert – solche Zeiten gehören zum Studium und Forschung dazu. Versuchen so gut es geht dran zu bleiben und weitergehen - umso größer ist dann die Freude wenn man es versteht bzw wenn das Experiment dann tatsächlich funktioniert!

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